Neuaufbau einer XL185S

  • Schon in den späten 80ern hatte ich mehrere Honda-Enduros, darunter neben einer maladen XL250R eine XL500S und zwei XL185S. Die 185er waren nicht wirklich "Bärentöter", blieben mir aber bis heute als besonders spaßige Leichtgewichte in Erinnerung. In letzter Zeit erwischte ich mich häufiger dabei, wieder parallel zu meinen Straßen-Hondas nach einem ähnlichen Leichtgewicht zu gucken. CRF250L, Kawasaki KLX250S, noch lieber Montesa 4Ride oder Beta Alp. Ein Schnupperkurs mit einer KTM Freeride sorgte nicht gerade für Linderung. Bald folgt ein Tageskurs. Das Ziel: Endurowandern. Ich habe ja einen Motorradtrailer und kann, anders als früher, die nervtötende Anfahrt "in den Süden" notfalls damit organisieren.



    Das Problem: die oben genannten Enduros oder Halb-Trialer fangen bei 3000 Euro an und enden in der Gegend um 7000 Euro. Zu viel, um sorgenfrei durch die Botanik zu fahren; auch angesichts der Tatsache, dass meine Straßenmaschinen mich maximal 1500 EUR gekostet haben. Da stimmt die Relation nicht.


    Aber warum dann nicht wieder das Altbewährte? Ganz einfach: weil der Bestand an XL185S unglaublich ausgedünnt wurde. Übrig blieb der Bodensatz ("Verkaufe hier mein Wald- und Wiesenmoped, mit dem die zehn Jungs aus der Nachbarschaft und ich Springen und Stürzen geübt haben. Kein TÜV, mattschwarz, nur 899 EUR").


    Neulich allerdings wurde eine 1981er XL185S mit nur 10.400 km angeboten. Der Preis niedrig, die Bilder versprachen einen originalen Zweier-Zustand, nur die Papiere fehlten. Aber das kann man ja ändern.
    Also aus der Ferne (Süddeutschland) am Telefon gekauft und durch den Spediteur liefern lassen.


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    Was allerdings der Spedi-teuer eine Woche später auslud, hatte mit den Internetbildern nur entfernt Ähnlichkeit...


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    Was also tun? Aufgeben? Nö. Das Motorrad ist nun mal 36 Jahre alt. Also Ärmel hoch und los. Zunächst habe ich mal zwei Schlachtmopeds gekauft und ein paar Teile neu bestellt.
    Der Tank ist innen extrem rostig, ich weiß nicht, ob der noch mal saniert werden kann. Da traf es sich gut, dass ich immerhin einen guten 80er und zwei leicht verdellte 81er Tanks hatte. Parallel werde ich mal versuchen, den Originaltank zu retten.


    Ebenso übel: der mehrere Millimeter hoch verharzte Vergaser.


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    Hier habe ich einen Keyster-Satz gekauft, den Vergaser ultraschallgereinigt und komplett überholt. Der Luftfilter, eigentlich ein Schaumstoff, ließ sich zu Staub zerreiben und kam natürlich neu.


    Der Motor wurde zwei Mal von Hand durchgedreht, bekam dann neues Öl. Kerze raus, WD40 durch das Kerzenloch,den Motor wieder ein paar Mal durchgetreten, woraufhin irgend eine eklige Soße herausspritzte. Neue Kerze rein, und nach ein paar Tritten meldete sich der sicher zehn Jahre stillstehende Motor langsam zu Wort. Nach 15 Minuten Lauf dann der nächste Ölwechsel. Demnächst folgt ein dritter Ölwechsel, dann mit Reinigung der Zentrifuge (ich warte noch auf den Nutmutternschlüssel). Nun springt der Motor auf einen Tritt an.


    Der Kettensatz ist völlig vergammelt und kommt zusammen mit einem Satz Bridgestone Trailwing, Schläuchen und Felgenbändern in den nächsten Tagen neu. Die Seilzüge wurden mit WD40 gängig gemacht, Handhebel getauscht. Meine Schlachtmotorräder spendieren noch ein paar unverschrammte Kunststoffteile dazu, auch die verblassten Schalter werden noch getauscht.


    Bordwerkzeug und Bedienungsanleitung habe ich schon, dazu die ultraseltene "Bedienungsanleitung Seitenständer" aus der Umrüstung 1986. Apropos: Der Vorbesitzer hat die Ständerfedern samt Halter verbaselt und schlicht ein Spanngummi über die Bank gespannt, vom Ständer quer zur anderen Seite des Motorrads... Natürlich kamen hier die Schlachtteile zum Einsatz. Auch die Sitzbank, bei meinem Exemplar mit einem Loch im Bezug, spendete ein Schlachtfahrzeug in perfektem Originalzustand.


    So, wie es aussieht, werde ich Ende der Woche soweit sein, dass die Vollabnahme folgt. Ick freu mir...

    Cafe Racer, der: ein bisher einwandfrei funktionsfähiges Motorrad, das der Besitzer zerlegt hat und in zehn Forenbeiträgen beschreibt, was er alles damit machen würde, wenn er Zeit, Geld, Werkzeug und Ahnung hätte.

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    Ach so, der Auspuff:
    Tatsächlich habe ich da noch ein heiles Exemplar ergattert. Das allerdings wird erst mal gestrahlt und flammgespritzt, bevor es den Weg in die XL nimmt.

    Cafe Racer, der: ein bisher einwandfrei funktionsfähiges Motorrad, das der Besitzer zerlegt hat und in zehn Forenbeiträgen beschreibt, was er alles damit machen würde, wenn er Zeit, Geld, Werkzeug und Ahnung hätte.

  • Gestern habe ich bis nachts um halb zwei geschraubt. Reifen gewechselt, Kettensatz getauscht und den frisch lackierten Auspuff angebaut. Flammspritzen fiel flach, weil das statt früher 40 Mark nun 150 Euro kosten soll (Sie wissen ja, 8,50 Mindestlophn wollen bezahlt werden!). Stattdessen selbst entrostet und spritzverzinkt.


    Heute ging es weiter mit dem Aufarbeiten des Zündungsdeckels und solchen Frickelarbeiten wie dem Tausch des Killschalteroberteils (nur der rote Drehschalter, weil ich aus zwei Schaltern einen gemacht habe) und dem Erneuern des roten Zierstreifens der Lampenmaske.


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  • Ekelhafter Klugscheißmodus an:


    Niemals wieder kaufe ich Moppeten, unter denen auf dem Bild noch die Waschwasserpfütze zu sehen ist!


    Ekelhafter Klugscheißmodus aus.


    Viel Erfolg bei der weiteren Instandsetzung.
    Die XL 350 scheinen auch alle totgeritten worden zu sein.....

    Scheiß drauf, ich probiers!

    :hehe:

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  • Da ist was dran :D
    Wobei der Tank von außen deutlich leichter wieder hinzubekommen war als von innen. Der scheint zusammen mit dem Endtopf die letzten hundert Jahre auf dem Meeresgrund neben der Titanic gelegen zu haben.
    Schön war der Moment, als der Motor ansprang und das Rostwasser aus dem Endtopf herausspritzte. Bäh!


    Die 350 fand ich immer klasse. Leider habe ich die nie mit intaktem Motor gesehen. Die XT350 allerdings auch nicht.

    Cafe Racer, der: ein bisher einwandfrei funktionsfähiges Motorrad, das der Besitzer zerlegt hat und in zehn Forenbeiträgen beschreibt, was er alles damit machen würde, wenn er Zeit, Geld, Werkzeug und Ahnung hätte.

  • Danke schön, Xonic!


    Aus dem Tank des Schlachtmotorrades habe ich eine hühnereigroße Delle zum größten Teil heraus ziehen können. Übrig ist nur noch ein zweicent großes Reststück. Die Frontmaske habe ich neu liniert, wozu wie im Original ein 5mm breiter Klebestreifen aufgeklebt wurde.


    Gestern habe ich noch den Nachmittag über geschraubt. Die Ventile und den Ausheber des Kickstarters eingestellt, Motordeckel sauber gemacht, hinteres Schutzblech gegen eines mit weniger Kennzeichenlöchern getauscht und vor allem, Elektrik auf Vordermann gebracht. Die XL hat einen sehr kurzen Kabelbaum, bei dem aber viele Steckverbinder aus einzelnen "Japansteckern" bestehen. Eine selbstgecrimpte Verzweigung der Vorbesitzer flog raus und wurde durch das Teil eines anderen Kabelbaums ersetzt. Die 185er hat sozusagen ein kleines "Y"-Stück in den Kabelbaum gesteckt, um einen weiteren Massepunkt herzustellen. Das ist nun auch wieder original, so dass ich die Elektrik von 1981 vollständig im Serienzustand habe. Dabei wurden die einzelnen Stecker mit Kontakt 60 gereinigt.


    Heute war der große Tag: Vollabnahme!
    Und prompt ging die XL immer wieder aus. Was bei 30 Grad und Kickstarter durchaus tragikomische Züge bekommt. Allerdings fiel mir dann doch noch gerade rechtzeitig ein, dass man anno 81 noch keinen vollautomatischen Benzinhahn hatte und der natürlich brav auf OFF gestellt war. Manche Anfängerfehler macht man nach 30 Jahren gleich noch einmal :oops:
    Der Prüfer ist selbst Motorradfahrer und besah sich mit viel Verständnis die marginale Bremsleistung zweier 110er Trommelbremsen und den im Leerlauf eher müden Lichtschein der 6V-Elektrik. So war das halt damals; soll keiner sagen, die Technik habe keine Fortschritte gemacht seitdem. Insgesamt war er vom Zustand aber begeistert und freute sich über neue Reifen, neuen Kettensatz und den wohl weltbesten Serienauspuff, den noch eine 185er spazierenfährt. Meiner war in den 80ern schon im sechsten Jahr nur noch durch einen Konservendosenmantel zu retten. Dieser hier ist im Neuzustand. Das ganze Motorrad ist inzwischen wieder absolut original, inklusive sämtlicher Schrauben.


    Dank der netten Hilfe von Alrik konnte ich auch mit Daten und ABE-Nummer dienen, dazu habe ich den halben Bücherschrank mitgebracht. So hatten wir alle Unterlagen zusammen. Trotzdem bekam ich allerdings eine brilliantbesetzte Platinrechnung samt Engelsmusik präsentiert und ging mit drei Blatt Papier, aber über 166 Euro ärmer, zur Tür heraus. Schluck!


    Da die Zulassungsstelle noch eine Stunde geöffnet hatte, fuhr ich ohne große Hoffnungen dort hin -und kam sofort dran. Wie beschrieben fehlten der XL ja sämtliche Papiere und es kursieren im Netz viele kluge Texte, welche KBA-Abfragen man mit welcher Wochenfrist und welchen Kosten einplanen müsse, von Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Polizeirevieren. Tatsächlich hat sich seit dem Verfassen dieser Texte einiges geändert. War das Motorrad in den letzten sieben Jahren zugelassen, muss man tatsächlich den Brief "aufbieten", was etwa zwei bis drei Wochen dauert und Geld kostet. Die XL aber ist wie viele Scheunenfunde o.ä. länger als sieben Jahre aus dem Verkehr gezogen worden. Dann wäre der alte Brief ohnehin ungültig. Somit wird ganz normal ein neuer Brief ausgestellt, dessen Basis das Vollgutachten des TÜV bildet. Die Erstzulassung wird auf den 1.7. des ermittelten Baujahres geschätzt und statt der Anzahl der Vorbesitzer ein Strich eingetragen. Kosten für alles: gut 33 Euro.


    Dazu kamen noch ein paar Taler für das Wunschkennzeichen und "der kleine rote Traktor" ist nach drei Wochen Arbeit wieder unterwegs.
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    Cafe Racer, der: ein bisher einwandfrei funktionsfähiges Motorrad, das der Besitzer zerlegt hat und in zehn Forenbeiträgen beschreibt, was er alles damit machen würde, wenn er Zeit, Geld, Werkzeug und Ahnung hätte.

  • sehr gut , ich finde es immer cool wenn ältere Moped ausschauen als wären sie gerade aus dem Laden gerollt :perfekt:

  • Ein kleines Problem ist nach wie vor die Vergaserabstimmung bzw. dessen Verhalten.


    Die Leerlaufdrehzahl bleibt nicht konstant und ändert sich oft sehr plötzlich. Stehe ich an der Ampel, stirbt der Motor häufig ab, indem die Drehzahl immer tiefer sinkt. Drehe ich dann die Standgasschraube (Schieberanschlag) einen kleinen Tick weiter hinein, dreht der Motor beim nächsten Stop wieder 3000 Touren. Der Vergaser ist blitzblank, alle Düsen neu, Düsenstock ist sauber, Düsennadel in mittlerer Position (Clip in 3. Kerbe), nichts zieht Nebenluft. Beide Luftfilter (und natürlich Kerze) sind erneuert.


    Das Verhalten tritt bei zwei verschiedenen Vergasern auf; einer davon mit verpresster Leerlaufdüse, der andere mit herausschraubbarer neuer Düse.

    Cafe Racer, der: ein bisher einwandfrei funktionsfähiges Motorrad, das der Besitzer zerlegt hat und in zehn Forenbeiträgen beschreibt, was er alles damit machen würde, wenn er Zeit, Geld, Werkzeug und Ahnung hätte.

  • Schönes Projekt. Dass Du den neuen Brief so problemlos bekommen hast, gibt mir Hoffnung. Ich habe hier noch einen CB250K-Motor mit passendem Rahmen, aber leider ohne Brief. Die Honda würde ich gerne in diesem Stil http://stinky.jp/gallery51.php wiederbeleben.


    Gruß
    Emil


    P.S. Weiß jemand zufällig, was für ein Tank das auf dem Bild ist?

    Grüße

    Emil


    Der Worte sind genug gewechselt, Laßt mich auch endlich Taten sehn! Indes ihr Komplimente drechselt, Kann etwas Nützliches geschehn.

    (Johann Wolfgang von Goethe: Faust: Eine Tragödie)