Die Toskana - Zurück ins Mittelalter

  • Die Toskana - pittoreske Landschaften und berauschende Gerüche. Einsame Dörfer auf sanften Hügeln, tiefgrüne Zypressen entlang endloser, welliger Straßen und prächtige Kurven ohne Ende.


    Leichter Dunst liegt über den umliegenden Weinbergen, als der Motor meiner Honda Silver Wing FJS 600 zum Leben erwacht. Kleine Wäldchen, Felder mit schwerer roter Erde, Viehweiden und Bauernhöfe huschen vorbei. Herrliche Kurvenreigen begeistern inmitten einer flachen und sanft gewellten Landschaft. Gerade richtig in Schwung gekommen, schon liegt es vor uns - San Gimignano, das „Manhattan der Toskana“, die „Stadt der Türme“. Ursprünglich gab es 72 dieser mittelalterlichen „Wolkenkratzer“. Die Adelsfamilien der Stadt demonstrierten damals ihre Macht durch die Höhe der jeweiligen Wohntürme, jeder wollte den allerhöchsten bewohnen. Oft unbequem und meistens wenig luxuriös war die Aussicht von dort oben sicher beeindruckend. Es wurde allerdings wohl mit der Statik etwas geschludert; heute streben nur noch 13 dieser Geschlechtertürme unversehrt dem Himmel entgegen. Hier scheint die Zeit praktisch im 16. Jahrhundert stehen geblieben zu sein.

    Sa_Gimi8.JPG




























    Ein Grund ist, dass der historische Stadtkern sogar zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Gemütlich schlendert die beste Sozia der Welt mit mir eine Runde durch die engen Gassen, ehe die Tagestouristen sich über den Ort hermachen.Das schwarze Teerband der SP5 geleitet uns weiter südwärts. Schmale, hoch aufragende Zypressenalleen führen auf malerischen Hügelketten zu einsamen Gehöften, sanft abfallende Weinberge gehen in knorrige, silbergraue Olivenhaine über, dunkle Wälder wechseln sich mit hellroten Mohnfeldern ab. Der Duft von Ginster und Rosmarin schleicht sich unter das weit geöffnete Visier. Schon von weitem erblicken wir die Burganlage von Monteriggioni. Von Weinbergen umgeben, erhebt sie sich aus der Ebene. Als wäre er gerade erst dem Mittelalter entsprungen, liegt der Ort auf dem Hügel des Monte Ala. 14 Wehrtürme, 570 Meter Stadtmauer sowie kaum mehr als lenkerbreite Tore beschützten das winzige Wehrdorf perfekt vor dem Ansturm von Autos und Reisebussen. Ein Hauch längst vergangener Tage schwebt durch die Gassen. Die mit Kopfstein gepflasterte Piazza, um die sich eine romanische Kirche, einige Handwerkerläden, kleine Geschäfte und Restaurants gruppieren, lädt unwiderstehlich zu einem Espresso und einem Prosecco (für die beste Sozia der Welt) ein. Dazu etwas pane, pecorino toscano e prosciutto - das Leben kann so schön sein :-).

    Irgendwann müssen wir dann doch weiter. Der Strada Regionale 68 folgend erhebt sich am Horizont auf einem Tuffsteinplateau die IMG_0018.JPGSilhouette der Alabasterstadt Volterra, vor deren Stadtmauern meine Siwi erneut zum Stillstand kommt. Durch die „Porta all’ Arco“, ein altes etruskisches Stadttor, gelangen wir zur Piazza dei Priori, die von einem festungsartigen Palazzo beherrscht wird. Kleine Geschäfte haben ihre Türen geöffnet und bieten Lederwaren, Keramik, Olivenöl, Käse und kitschige Souvenirs an. Aus den „Alimentari“, den kleinen Lebensmittelgeschäften mit kiloschweren Schinkenkeulen, die von der Decke baumeln, strömt ein verführerischer Duft. Der Rundgang durch die grob gepflasterten Gassen ist in voller Motorradkluft doch recht beschwerlich. Erste Schweißtropfen bahnen sich ihren Weg. Nach einem traumhaft guten Panini geht es erneut ins Kurvenparadies. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Abgesackte Straßenränder, Löcher und Risse im Asphalt sorgen zusammen mit der tief stehenden Sonne auf den Nebenstrecken immer wieder unangenehme Überraschungen. Da macht „auf Sicht fahren“ gelegentlich Sinn. Tipp: unbedingt die Warnschilder beachten. Sie sagen nicht, wann das Schlagloch kommt, aber es kommt auf jeden Fall!


    IMG_0012.JPG

























    Die Sonne überzieht die Wolken am morgendlichen Himmel mit einem rötlichen Schimmer. Unser Ziel sind die sanften Hügel des Chianti-Gebiets zwischen Florenz und Siena mit ihren malerischen Weingütern. Wir wedeln an Montaione, Castelfiorentino und Montespertoli vorbei und schon liegt ein atemberaubendes Panorama vor uns, der „Piazzale Michelangelo“, der Balkon von Florenz. Von diesem Platz hat man einen der schönsten Ausblicke hinunter auf Florenz und den Arno. Im Glanz der Morgensonne liegen das Forte Belvedere, die Kirche Santa Croce, die berühmte Ponte Vecchio, der mächtige Dom und der Palazzo Vecchio vor uns. Atemberaubend! Da sieht man dann gerne über die zahlreichen Souvenirhändler und Touristengruppen aus Fernost hinweg.

    Die Via Chiantigiana (SR 222), eine der landschaftlich schönsten Panoramastraßen Italiens, führt uns direkt hinter Florenz in die faszinierende Welt eines der größten Weinanbaugebiete Südeuropas. Sanfte Hügelketten, Weinberge bis zum Horizont aber auch kleine Wälder, Olivenhaine und weite Felder prägen das Chianti. Eine Landschaft wie im Bilderbuch. Dicht beieinander stehen trutzige Kastelle und von mächtigen Stadtmauern geschützte Dörfer. Sie zeugen von der Zeit, in der die Herren von Florenz und Siena hier ihre Machtkämpfe IMG_0006.JPGausfochten. Die Weinorte reihen sich wie an einer Perlenkette aneinander. Die Straße erklimmt einen Hügel nach dem anderen; Kehre reiht sich an Kehre. In Greve in Chianti verführt uns das Ristorante La Cantina an der Piazza Trento zu einem Halt, der sich als kulinarischer Geheimtipp herausstellen sollte. Das Örtchen Radda - eines der drei Gründungsmitglieder des Kriegsbündnisses namens “Chianti” - lockt mit seinem historischen Kern am späten Nachmittag zu einem Spaziergang. Dazu einen Cappuccino an der Piazza Ferrucci und dem geschäftigen Treiben zuschauen, was will man mehr (außer vielleicht noch ein Gelato ;-).


    Reiseinfos, Tourdaten (gpx) und weitere Bilder findet ihr auf meiner HP. Viel Spass :-)

    Einmal editiert, zuletzt von Ralf53 ()