Vordere Bremse samt Hydraulik
Als ich die Maschine bekam war die vordere Bremse leer. Beim Abladen aus dem Transporter war daher Muskelkraft gefragt, um die Maschine davon abzuhalten sich selbständig zu machen. Auch beim Rangieren in die Garage war es irgendwie ungewohnt, die Maschine nicht mit einem Griff an den rechten Griffhebel bremsen zu können. Bei einem knapp über 200 Kilo leichten Motorrad ist das aber alles noch ganz gut machbar.
Laut Vorbesitzer sollte ja ein Bremsschlauch undicht sein. Die uralten Gummischläuche durften daher ohne vorher die Leckstelle zu erkunden raus und dafür neue Stahlflex rein. Das ist dann ja die passende Gelegenheit, sich mal die Bremssättel genauer anzusehen. Gesagt, getan. Eigentlich sind das ja Schwimmsattelbremsen. Aber an beiden Sätteln ist nichts mehr geschwommen, die saßen bombenfest. Offenbar hatte das beim Fahren wenig gestört, die Bremsbacken waren in beiden Sätteln auf einer Seite fast neuwertig und auf der anderen deutlich runtergebremst.
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Die Bremsättel wurden also zerlegt. Die Kolben ließen sich zum Glück gerade noch mit Luftdruck gegen stufenweise immer dünner werdende Holzeinlagen herausdrücken. Bei einem war das allerdings schon so grenzwertig, dass ich schon darüber nachdachte, ob hier nicht die Fettpresse das Mittel der Wahl zum Druckaufbau sein könnte. Darauf, den Bremssattel mit Fett vollzupressen, um es danach wieder rauswaschen zu können, hatte ich allerdings wenig Lust. Mit mehr Luftdruck und viel Kriechöl klappte es dann.
Bremssättel glasstrahlen, lackieren, Durchspülen und Nuten mit der Drahtbürste im Dremel sauber machen, neue Dichtungen einsetzen, Kolben sauber machen und einsetzen war eine schöne und problemlose Arbeit. Nicht problemlos war es, die passenden Ersatzteile aufzutreiben. Die angeblich passenden aus Ebay passten nicht. Von Oliver aus dem Boardshop bekam ich die richtigen Teilenummern und den Hinweis, danach in den USA zu suchen. Das sind sie:
Bremskolben: 45107-460-841
Dichtung: 45209-460-841
Staubdichtung: 45109-460-841
Die Teile waren billig, der Versand teuer. Egal, was will man machen, musste ja sein.
Neue Bremsklötze waren bei Tante Louise im Katalog und nicht mal teuer. Also bin ich in den nächsten Louisenladen gefahren, um sie mir dort zu holen. Zum Glück hatte ich einen alten Belag dabei. Und zum Glück habe ich die neuen Beläge dort ausgepackt und verglichen. Was soll ich sagen? Natürlich passten sie nicht. Irgendwie passt kaum ein Teil das für die RC8 sein soll dann auch wirklich an die RC8. Aus dem Katalog des Bremsbackenherstellers konnten mir die Leute im Laden anhand der Abmessungen die richtigen Backen heraussuchen. Die richtigen hören auf die Bezeichnung MCB537. DIE waren natürlich nicht im Lieferprogramm der Tante. Also zu Hause ab in die Bucht. Dort gab es die passenden Bremsbacken als Lagerbestand aus einer Werkstattauflösung für sehr schmalen Taler.
Beim Anbau der Bremszangen an die Gabel habe ich prompt eine Schraube abgedreht. Sie fühlte sich noch nicht fest an, dann ziemlich weich und dann ab. Hmmm, da hängt immerhin die Bremszange dran. Das sollte im Bedarfsfall schon halten. Sicherheitshalber habe ich gleich zwei neue, also für beide Sättel bestellt und beschlossen, das nächste Mal gleich den Drehmomentschlüssel zu verwenden und nicht erst zum nachziehen.
Der Vorratsbehälter für die Bremsflüssigkeit hatte es auch ziemlich hinter sich und sah schon reichlich gealtert aus. Den wollte ich sicherheitshalber und aus optischen Gründen, damit das für den Tüvmann ordentlich aussieht, ersetzen.
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Ein Neuteil auf eine alte, gebrauchte Bremspumpe in fragwürdigem Zustand? Nein. So wurde die dann auch zerlegt, außen gestrahlt und mit einem Überholsatz versehen. Das schwierigste dabei war, den festgegammelten alten Seegering heraus zu bekommen. Wenn der draußen ist kann man Kolben, Dichtungen und Feder ziemlich am Stück herausholen. Um alles wieder richtig zusammenbauen zu können war an der Stelle ein Foto fällig.
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Ziemlich verschmoddertes Innenleben eines Überlebenswichtigen Bauteils. Es folgte das übliche Überholungsprocedere: Außenseiten mit Glas strahlen, lackieren, im Backofen einbrennen und alles wieder zusammenbauen. Der Reparatursatz war nicht teuer und passte unerwarteterweise auf Anhieb. Davon angespornt war der Zusammenbau schnell erledigt. Natürlich sollte man beim Zusammenbau auch das Foto angucken oder sich über das Funktionsprinzip Gedanken machen, sonst macht man es zwei Mal. So wie ich.
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Zum Vergleich: So sieht die Hebelei auf der anderen Seite noch aus.
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Beim Entlüften bin ich ganz klassisch vorgegangen: Schlauch auf den Entlüfternippel, Pumpen, Öffnen und das so lange, bis auf beiden Seiten keine Luft mehr kommt. Anfänglich habe ich mit Unterdruck experimentiert. Trotz des speziellen Auffangbehälters kam aber Bremsflüssigkeit in die Sauppumpe. Das war mir zu viel Sauerei und weil Bremsflüssigkeit Lack kaputt macht und eine eher unfreundliche Substanz ist, bin ich auf die bewährte Methode mit Pumpen und Öffnen übergegangen. Das geht auch ohne Helfer sehr gut, eine Hand am Bremsgriff, die andere am Schlüssel am Entlüfterventil.
Die Bremsscheiben sahen gut aus und wurden nur mit Scheuerflies von Flugrost und Schmutz befreit. Mit feinem Scheuerflies wurden bei der Gelegenheit auch die Aluenden der Gabel gereinigt. Sie haben nun ein schönes, gleichmäßig mattes Finish.
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So gefällt mir das. Ordentlicher Zustand, aber kein Bling. Die Vorderbremse ist jetzt wieder fit.