Reisebericht BG - Ländertour Balkan 2014 - HR - MNE - KO - MK

  • 11. Tag: Ruhepause in Sozopol, 0 km


    Heute bleiben die Motorräder auf dem Parkplatz. Im Städtchen ist alles mehr oder weniger bequem zu Fuß zu erreichen.


    Besuch des Ethnographischen Museums, dann Strandnachmittag. Auch hier kann man Beobachtungen machen: Wie kann man eine russische von einer bulgarischen Strandschönheit unterscheiden? Die russische Schönheit sonnt sich am Schwarzen Meer mehrheitlich im Stehen (!), gerne mit kessem Hütchen und dem Sonnenlicht zugewandt.


    Die bulgarische Schönheit, wie alle anderen, sonnen sich eher im Liegen. Eine weitere Grundregel für Ladychecker: Strandschönheiten mit Sonnenbrand sind nie Bulgarinnen...


    Sieht man hier ein kleines motorisiertes Zweirad, wird mit Fahrradhelm gefahren – aber mit geöffneter Schnalle bitte.

  • 12. Tag: Sozopol – Tagesausflug, 115 km


    Wir beschließen, eine kleine Motorradtour in Richtung Süden zu machen. Kurz hinter Sozopol befinden sich riesige Hotelanlagen für die gut betuchten Gäste mit Wellnessdrang. Einige km weiter entdecken wir fast menschenleere Strände. Ganz warmer Sand, rauschende Wellen, idyllische Buchten. Der Grenzübergang zur Türkei ist nicht mehr weit. Bei Primorsko sehen wir einen Hinweis zu historischen Steinen und landen beim größten ostbulgarischen Thrakerheiligtum Beglik Tash. Diese Stätte wurde erst 2003 von Archäologen entdeckt und ist ein bedeutendes*Denkmal.


    Vom Parkplatz sind es 1300 m Fußmarsch bei 34 Grad in Motorradklamotten, bis wir den Hügel erreichen. Diesen Offroadweg hätten wir fahren können, wir landen an einem Kassenhäuschen, dahinter ein prima Wiesenparkplatz (wenn wir das gewusst hätten!!), 2 Leva Eintritt pro Nase (1 Euro). Immerhin können wir bei den freundlichen Kartenverkäuferinnen unsere Jacken hinterlegen und ohne Zusatzballast die Steinformationen begehen.


    Es gibt einen Thron für einen ritualführenden Priester, einige Opferrinnen (für Milch, Olivenöl, Wein und Wasser). Wäre da heute irgendeine Flüssigkeit drin gewesen, ich hätte sie gnadenlos bei der Hitze ausgeschlürft :D


    Es ist eine Sonnenuhr aus großen Steinen zu finden, die allerdings zusammengestürzt ist. Wir tummeln uns an diesem wenig besuchten, aber schönen Ort, beobachten die Besucher beim Posieren auf den Steinen. Der Ausflug hat sich gelohnt!!!


    Von dort aus streben wir eine Fahrt ins Strandzagebirge an, die wir leider nach etlichen km abbrechen müssen. Die Straße ist grottenschlecht.*Die Schlaglöcher verschlingen uns fast und ein Ausweichen ist nicht möglich. Es gibt nur noch Schlaglöcher und keine geschlossene Teerdecke mehr, auf die wir ausweichen können. Es ist die "große" Landstraße 99, die zur türkischen Grenze bei Malko Tarnovo führt. Ab dort müssten wir auf kleinere Straßen ausweichen, ich mag mir nicht vorstellen, wie diese dann ausschauen. Also drehen wir um und "reiten" zurück nach Primorsko. Wir brauchen die Motorräder noch für die Weiterfahrt. Eigentlich ist diese total ausgeschlagene Straße nur noch mit Lastwagen zu befahren...


    Interessant ist, dass es ganz kleine Straßen (weiße) gibt, die sind super geteert, dann gibt es gelbe und orange, die fast nicht befahrbar sind. Man muss testen, wie weit man auf welchen Straßen kommt. Ein Patentrezept gibt es nicht.

    Ich bin nicht klein, ich bekomm nur später die Regentropfen ab als du.

  • Wir entschließen uns, den Nachmittag am einsamen Schwarzmeerstrand zwischen Primorsko und Achtopol zu verbringen.


    Später zurück im Hotel wird erst einmal die Klimaanlage auf 22 Grad gestellt und geduscht. Boooh, war das gut. Nur an das Badezimmerfluten, daran kann ich mich auch dieses Jahr nicht wirklich gewöhnen. (Für die Neulinge: Es gibt keine Duschkabinen/Vorhänge etc. Geduscht wird immer mitten im Bad. D.h. Man duscht auch die Tür mit ab, ebenso das Fensterbrett, den Spiegel, das Waschbecken, die Toilette, das Klopapier, wenn man vergessen hat es in Sicherheit zu bringen, die Klobürste, den Sicherungskasten, die Handtücher und alles was im Bad so rumsteht). Der Abfluss befindet sich auf dem Boden. Das Bad ist nach dem Duschen mindestens 1/2 Std. nicht begehbar. Im Sommer trocknet ja alles wieder schnell ab. Das ist einfach landestypisch und man muss es nehmen wie es ist.

  • Morgen fahren wir weiter, nun wieder jeden Tag, die Ruhephase ist vorbei. Baltschik ist unser letztes Ziel am Schwarzen Meer. Übermorgen geht es ins Balkangebirge in schöne typische bulgarische Dörfer.


    Achja, die Bulgaren sichern ihre knappen Parkplätze, indem sie mehrere 5- oder 10-Liter-Wasserkanister in die Parklücken stellen. Das funktioniert hier in Sozopol prima.


    Zum Abendessen genießen wir traditionelle bulgarische Küche, Kuttelsuppe Skembe corba und frisches Gemüse gegrillt und gedünstet auf der heißen Tonplatte „Zaz“ serviert. Köstlich!

  • 13. Tag: Sozopol – Baltschik, 220 km


    Betrachtung über den Beruf und die Berufung des Tankwarts. Tankwart ist einer der letzten echten, kernigen Männerberufe. Meist geben sie sich mürrisch, später ergibt sich dann doch meist angesichts der hier seltenen Erscheinung einer Frau, die ihr eigenes Motorrad fährt, ein interessanter Austausch.


    Empfehlenswert: Die Tankkultur an der Gazprom-Tanke Schwarzmeer-Küstenstraße Varna. Wir erhielten einen Talon, der uns fürs nächste Tanken einen Rabatt verspricht. Die Dame an der Kasse meint, ach, wir seien wohl Touristen, dann tun wir so, als ob wir den Talon bereits jetzt dabei hätten und überreicht uns als Geschenk eine Flasche Eistee, weil wir doch sicher Durst hätten...
    Ja, das hatten wir: DANKE für die eiskalte Erfrischung.



    Die Fahrt in die Dobrudscha, nach Baltschik ist motorradtechnisch ganz nett aber unspektakulär, immer der Schwarzmeerküste entlang. Unsere Unterkunft in Baltschik findet sich schwer, Koordinaten stimmen nicht, Straßennamen gibt es in diesem Stadtteil nicht. Wir fragen, zwei Damen telefonieren herum und plötzlich steht der Vermieter mit dem Auto neben uns und lotst uns zu seiner Pension. Schön versteckt in einer „Offroadstraße" mit herrlicher Terrasse und Blick aufs Meer. Oh – ich verfluche diese Zufahrten zu unseren Unterkünften.


    Wir besuchen das Sommerschloss und den botanischen Garten der rumänischen Königin Maria. Nach dem Tod ihres Mannes baute sie das Schloss in ein Liebesnest um, sagt man ihr nach. Das Herz der verstorbenen Königin wird heute noch in der Kapelle aufbewahrt.


    Es gibt über 200 verschiedene Baumarten im kunstvoll angelegten botanischen Garten. Im Vergleich mit der südlichen bulgarischen Schwarzmeerküste (bei Nesebar) gibt es hier deutlich weniger Rummel. Das könnte sich ändern, wenn der örtliche Flughafen, den noch die Rumänen in der Zwischenkriegszeit gebaut hatten, eines Tages doch noch für Billigflieger wieder in Betrieb gehen könnte.


    Das Meer liegt hier ruhig wie ein großer See. In der Altstadt gibt reichlich leerstehende Bausubstanz. An der Uferpromenade werden unmögliche Hotelklötze hingestellt.


    Heute quälen uns die vielen Mückenstiche aus Sozopol. Angesichts der Hitze haben wir am Abend keinen großen Hunger, ziehen uns mit Banica und Oliven auf unsere Terrasse zurück und genießen den göttlichen Ausblick aufs Meer. Ende eines eher ruhigen Reisetages.

  • 14. Tag: Baltschik – Zheravna, 265 km


    Heute wurde uns wirklich ALLES geboten!


    Es ging los mit einem Frühstück auf unserer herrlichen Terrasse mit Schwarzmeerblick. Stefan hatte Buza gekauft. Ein Getränk aus Getreide, das aussieht wie ein Milchshake. Während er es trank, recherchierte ich im Internet und ich musste feststellen, dass das Getränk Alkohol enthält und das Leibgetränk der osmanischen Janitscharen war. Unter der Herrschaft eines Sultans im 19. Jh. wurde das Getränk mit Opium angereichert und später war es ein Arme-Leute-Trunk mit Alkohol. In Konstantinopel sollen harte Buza-Trinker oft von Straßenhunden angefallen worden sein, weil sie bedrohliche Stöcke mit sich führten, um sich auf den Beinen halten zu können. Kleine Kinder wurden auch mit Buza genährt und man hat sich über deren rote Bäckchen gefreut... Wir ziehen es vor, das Getränk stehen zu lassen.


    Weiter geht es Richtung Varna. Ich drehe 2 Runden im Kreisverkehr, bis ich die Ausfahrt zur Bundesstraße 2 finde. 20 km westlich, Nähe Devnya, machen wir am Steinernen Wald (Probiti Kamani) Stopp. Ein Highlight auf unserer Reise. Auf diesen Stopp habe ich mich sehr gefreut: 50 Millionen Jahre alte Kompositgesteine (Steine, Sand, Lehm unter Druck) ragen aus dem Boden. FASZINIEREND! Die Fläche umfasst 7 qkm. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts, wurden diese Steinformationen für die Überreste einer griechischen Stadt gehalten. Dieses seltene Naturphänomen umfasst Säulen mit einer Höhe von 5 bis 10 m und eine Dicke von 3 cm bis 30 m. Einige Säulen sind mehrere Teile zerbrochen. Sie stehen einzeln oder in Gruppen aufrecht in der Landschaft, so als ob sie eine gewaltige Kraft absichtlich in den Sand gerammt hat... Wir besuchen die größte Ansammlung. Inzwischen ist es wieder knapp 36 Grad. Wir kämpfen uns durch das Gelände, das uns wie in einen Backofen aufheizt.

  • Bei afrikanischen Temperaturen steigen wir am frühen Nachmittag zum Felsrelief des "Reiters von Madara" hinauf. Ich klebe in meiner Motorradhose. Dieses Relief befindet sich an einer ca. 100 m hohen Klippe. Ein Monument, das 1976 zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Wir laufen noch zu 2 Höhlen, die ganz in der Nähe sind. Heute haben wir es nicht eilig. Nur berechnete 220 km Tagesetappe. Von hier aus wollen ein kurzes Stück über eine gut ausgebaute Straße und anschließend über 2 kleine Pässe zum Tagesziel fahren.


    Zwischen Madara und Shumen passiert es dann. Ich sehe kurz vor mir ein entgegenkommendes Auto durch die Luft fliegen. Es überschlägt sich mehrmals und kommt im Feld zu Stillstand. Wir hauen sofort die Bremse rein, stehen am Straßenrand, sehen das zertrümmerte Auto aus dem laute Musik schallt. Eine Frau hält ebenfalls an, ruft dem Rettungswagen. Wir schalten die Warnblinkanlage ein, eilen zum Fahrzeug. Weit entfernt liegt ein junger Mann im Feld, im Auto ist niemand mehr. Er wurde durch den Aufprall herausgeschleudert, war nicht angeschnallt. Wir leisten mit einem Paar, das dazugekommen ist, Erste Hilfe. Es dauert ewig, bis 4 Polizisten kommen und noch länger, bis der Krankenwagen kommt (25 Minuten :mad:).


    Die Polizisten interessieren sich nur für das Auto. Wir bleiben bis zum Abtransport beim Verletzten. Ich hoffe, der junge Mann wird das schreckliche Unglück überleben!! Der Gedanke geht mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Ich brauche eine Weile, bis ich mich gefangen habe. Wir setzen unsere Fahrt fort.


    Nun geht es zum 1. Pass. Ich wundere mich, dass überall Staßenbaustellen sind und wir immer wieder offroaden müssen. Mir steht auf der Anhöhe der Schweiss auf der Stirn. Oben angekommen meint Stefan: Hast du nicht gesehen, dass der Pass wegen Bauarbeiten gesperrt ist? Na klar: Ich kann kyrillisch lesen!! Er hätte mich auf einer geteerten Strecke überholen und ausbremsen können, hat er aber nicht. Fährt mir ganz brav hinterher :o GRRRRRRRR


    Also beschließen wir den Pass in unsere Richtung hinunter zu fahren, schlimmer kann die Straße nicht werden. Ich schnaufe tief durch, wir tanken, fahren zum 2. Pass (Varbitski Prohod). Auch dieser Pass ist gesperrt. Der Tankwart hat uns dringend abgeraten, diese Straße zu fahren. Ich programmiere mein Navi um und es geht über einen Umweg, offroad, Straßen mit abgesenkter Fahrbahn und Straßenlöchern, weiter. Es geht sehr langsam voran. Eine Henne, die mit ihren Küken spazieren geht und Ziegen bremsen uns aus und lenken mich positiv vom Tagesgeschehen ab. Wir erreichen endlich die Hauptstraße. Das Navi zeigt 20 km bis zur Pension. Über die Ausläufer des Balkangebirges erreichen wir gegen 19 Uhr unsere Unterkunft und beziehen in Zheravna in einem wunderbaren Holzhaus im typischen Balkanstil unser Quartier. Ab 20 Uhr ist es stockdunkel. Ich bin fix und alle und freue mich, dass die Vermieterin uns gleich mit Getränken versorgt.


    Ein Ort der Erholung, der Einsamkeit, wenn da nicht die zwei Familien mit den überdrehten und nicht müde zu kriegenden Kindern wäre. Wir ziehen es vor, im Restaurant zu essen. Die unbändigen Kleinen haben massiven Bewegungsdrang. Auch um 23 Uhr tritt noch keine Ruhe ein. Ich denke, die haben heute etwas lange bei knapp 40 Grad im Auto gesessen. :D
    Ich werde bald ins Bett fallen, egal ob Sveti, Georgi und Co. toben oder nicht. Morgen Früh kommt meine Stunde. Ich werde mich rächen. Türen auf und zu, mit den Koffern durchs Haus rumpeln... Um 7.00 Uhr ist die Nacht vorbei, auch für Sveti, Georgi und Co. :wink:

  • 15. Tag: Zheravna – Bozenci, 165 km


    Ich habe schlecht geschlafen, der gestrige Zwischenfall hat mich nicht zur Ruhe kommen lassen. Ich muss Abstand nehmen – werde wohl nie erfahren, wie der Unfall ausgegangen ist.


    Über Kotel, Kipilovo und Elena machen wir einen Zwischenstopp in Arbanasi, einen Stadtteil von Veliko Tarnovo mit vielen alten, typischen Balkanhäusern. Heute ist großer Hochzeitstag im Dörfchen. Wir beobachten das lustige Treiben und fahren weiter hinein in den nördlichen Balkan. Sanfte Hügel, jede Menge Kurven sorgen für großen Fahrspass.


    Unser Ziel ist das Bergdorf Bozenci, einst von den Türken geflüchteten Adeligen aus Veliko Tarnovo gegründet. Der Ortseingang ist mit Schranken Versehen, der Ort ist eine Sackgasse und nur über diese eine Straße erreichbar. Wir stellen die Motorräder ab. Zum ersten Mal auf unserer Reise durch Bulgarien sehen wir Motorradfahrer, die sich zum Plausch in einem Lokal niedergelassen haben. Wir winken ihnen zu, der Gruß kommt zurück. Wir erkunden zu Fuß den kleinen Ort und suchen unsere Unterkunft. Wir dürfen durch die Fußgängerzone zur Pension fahren. Die Anfahrt ist – wie so oft – holprig, steinig, sandig. Echt authentisch…


    Wir sind in einem alten Han untergebracht. Sehr schöne Ausstattung, aber die Raumhöhe ist original 18. Jh., deutlich unter 2 m. Gegen 17 Uhr verschwinden
    die wenigen Tagestouristen. Es wird still im Örtchen und wir genießen die Atmosphäre…

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    Ich bin nicht klein, ich bekomm nur später die Regentropfen ab als du.

  • 16. Tag: Bozenci – Koprivstica, 180 km


    Von Bozenci aus nach Gabrovo, Besuch des größten bulgarischen Freilichtmuseums Etar, das vor ziemlich genau 50 Jahren eröffnet wurde. Interessant ist die Vielzahl von Mühlen und anderen mit Wasserkraft aus dem Oberlauf der Jantra (ihr alter slavischer Name lautet Etar) betriebenen Werkstätten. Mich fasziniert die Waschmaschine, in der der Teppiche und Decken gewaschen werden. Klasse!


    Weiter durch die Schluchten des Balkan hinauf zum Shipka-Pass (1185 m), wo 1877/78 mehrere wichtige Schlachten zur Befreiung Bulgariens vom "Türkischen Joch" stattfanden.

  • Über Karlovo und Sopot knattern wir nach Koprivstica in der Sredna gora, einem Gebirgszug, der sich südlich parallel zum Balkangebirge erstreckt. Koprivstica soll von kopriva = Brennnessel abgeleitet sein.


    Auch hier gibt es wieder einmal keine Straßenschilder in den kleinen Gassen. Ein taubstummer Mann, der unter einer Platane verweilt, hilft uns unser Ziel zu finden. Er wird mehrere Male auf seinem Mobilnik angerufen: Er hebt jedes Mal ab, hört aufmerksam zu und legt dann wieder auf. Eine freundliche interessante Begegnung! Gut zu wissen, dass man im Zweifelsfall auf die Hilfsbereitschaft der Menschen vor Ort zählen kann. Rundgang durch das Städtchen – unser Hotel ist nahe der "Brücke des ersten Schusses" gelegen, auf der 1876 der Aprilaufstand gegen die Osmanen seinen Ausgang genommen hatte.

  • 17. Tag: Koprivstica – Belogradchik, 307 km


    Vor der Abfahrt besichtigen wir das Lujtov-Haus. Ein prächtiges Wohnhaus von 1854 im Stil der bulgarischen Wiedergeburtsarchitektur. Petko Ljutov war als Milchhändler in Alexandria/Ägypten tätig, und das offensichtlich sehr erfolgreich. Große Klasse ist die malerische Gestaltung der Innenräume mit Ansichten ägyptischer Städte. In einem Teil des Hauses werden Kleider und aufwändig gearbeitete Filzteppiche gezeigt.


    Sofia umfahren wir großräumig und erreichen nach einer Rast im Ciprovski manastir (Kloster) bei Montana unseren Zielort Belogradchik. Was für eine Überraschung: Alle Straßen sind neu asphaltiert – das sollten sich die EU-Kritiker mal anschauen. Die alte türkische Felsenfestung Kaleto erstrahlt ebenfalls in neuem, EU-restauriertem Glanz.


    Der (eigentlich serbische) Hajduk Veljko soll hier einem osmanischen Bej im Kaffeehaus einen solchen Schreck eingejagt haben, dass dieser beim Anblick des gefürchteten Aufständischen verstarb. Veljko und seine Gesellen sammelten daraufhin mit sanftem Nachdruck die Geldbörsen aller Türken im Kaffeehaus ein und flüchteten zu Pferde ins Bulgarenviertel von Belogradchik, wobei die Hufe der Pferde auf dem Pflaster Funken schlugen, aber es glitzerten auch zahlreiche Goldstücke auf dem Boden – viel Geld für arme Menschen...

  • 18. Tag, Belogradchik – Belgrad (Serbien), 310 km


    Letzter Tag in Bulgarien. :mecry:
    Frühstück auf der Terrasse. Bis nach Belgrad steht uns einiges an Strecke bevor – so entscheiden wir uns, die Tropfsteinhöhlen von Magura mit ihren prähistorischen Felszeichnungen ausfallen zu lassen.


    Landschaftlich fast unwirklich schön, aber bitterarm ist Grenzregion zu Serbien. Halbverlassene Dörfer, in denen nur noch wenige Alte wohnen, die landwirtschaftliche Subsistenzwirtschaft betreiben und den Verfall ihrer Dörfer nicht mehr aufhalten können. In heruntergekommenen Fabrikhallen werden Heu- und Strohballen gestapelt. Hier greifen auch keine wirtschaftlichen Förderprogramme mehr; zu viel Zeit ist bereits verloren. Dennoch ist es spannend, als Durchreisender diesen Prozess wahrzunehmen. Wir passieren die Grenze bei Zajecar. Wehmut kommt auf, wohl gefühlt habe ich mich in Bulgarien. Wir stellen die Uhren um, wir bekommen eine Stunde geschenkt.


    Über gut ausgebaute Landstraßen fahren wir bis Paracin, dort geht es auf die Autobahn in die 1,3 Mio. Einwohner Stadt Belgrad. Unser Hotel liegt in Altstadt-Stadtteil Vracar, in einer Straße, die auf 100 m drei verschiedene Namen trägt. Auch in diesem Jahr steigt beim Durchfahren der Stadt mein Adrenalinspiegel stark an. Chaotisch, chaotisch. Nur nicht die Nerven verlieren. Ganz übel sind die Kreisverkehre hier, mehrspurig, ohne Linie, jeder fährt hinein, hinaus, so wie er mag. Wichtig ist – immer die Hand an der Bremse und am Gas zu haben. Dann klappt das Durchkommen schon.


    Ins Stadtzentrum lassen wir uns mit einem Trolleybus fahren. Wir besuchen die Belgrader Festung Kalemegdan, von dort aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Flüsse Save und Donau, die dort zusammenfließen. Der Abend klingt im traditionellen Feinschmeckerrestaurant „Vuk“ aus. Von hier aus treten wir zügig die Heimreise an.

  • 19. Tag, Belgrad – Pecs (Ungarn), 330 km


    Über Nacht hat es einen Wettereinbruch gegeben. Wir spüren den Herbst. Es regnet und es ist stark abgekühlt. Ich schlüpfe in meine Regenkleidung.


    Was für ein Kleinstaaten-Elend: Wir fahren auf der Autobahn von Belgrad nach Šid im Outback der Wojwodina, dann
    1) serbische Maut bezahlen,
    2) serbische Ausreisekontrolle,
    3) kroatische Einreisekontrolle (1 Stunde Wartezeit),
    4) kroatischen Mautschein ziehen
    5) kroatische Maut zahlen…


    Oh, das kostet so viel Zeit.


    Bei Osijek in Ostkroatien teilt sich die Autobahn und wir fahren auf der A5 "Slavonika" (fast) bis zur ungarischen Grenze. Die AB ist so gut wie menschenleer, man will meinen, an einem autofreien Tag unterwegs zu sein. Wir stehen an der Autobahntankstelle und warten vergeblich auf den Tankwart. Selbstbedienung! Kein Tankwartservice mehr, willkommen im modernen Europa!


    Ich sehe an der Grenze einen grünen Pfeil, fahre zielstrebig darauf zu und schwupps... ich stehe auf der LKW-Waage. Peinlich, ich komme rückwärts nicht mehr heraus. Stefan merkt das Missgeschick und zieht mich an den Hörnchen zurück. Der Grenzbeamte kommt schon angelaufen, will helfen... Ich entschuldige mich mit den Worten: Es tut mir Leid, mit meinen Gepäcktaschen komme mich mir vor wie ein LKW... Wir müssen herzhaft lachen, ich ordne mich korrekt ein und die Fahrt kann kurz darauf weiter gehen.


    Auf recht holpriger Landstraße fahren wir bis kurz vor Pecs. Eine tiefschwarze Wolkendecke kommt mit rasender Geschwindigkeit auf uns zu und holt uns ein. Im mehrspurigen Verkehr werden wir von Regenwasserfontänen fast weggespült. Wir müssen 4 km vor unserem Ziel die Fahrt unterbrechen – Sicherheit geht vor. Das Wasser steht cm-hoch auf den Straßen und kann nicht abfließen. Für fast drei Wochen waren wir von der Sonne verwöhnt worden und dann so etwas.


    Bei der Ankunft an unserer Unterkunft sind wir triefnass, aber die Funktionskleidung hat dicht gehalten! Besuch der Pecser Altstadt, die 2010 Kulturhauptstadt Europas war. Sehenswert! Beim Abendessen auf dem Hauptplatz Széchenyi-tér geht dann schließlich der dritte Regenguss des Tages nieder. Zum Glück hat uns unsere Vermieterin einen großen Regenschirm geliehen.

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    Ich bin nicht klein, ich bekomm nur später die Regentropfen ab als du.

  • 20. Tag, Pecs (Ungarn) - Bad Gams (Österreich), 330 km


    Nieselregen bei Abfahrt lässt Schlimmes befürchten, aber wir sollen heute Glück haben und trocken an unser Tagesziel kommen. Die ungarischen Nebenstraßen sind zum Teil für Motorradfahrer in gefährlichem Zustand; extrem tiefe Spurrillen einerseits, aufragende Asphaltwülste andererseits bilden ein Schienensystem, das Biker leicht aus der Bahn werfen kann und höchste Aufmerksamkeit und eine sensible Gashand erfordert.


    Stopover in einem eher gesichtslosen Ort namens Nagykanizsa, Grenzübergang nach Slowenien in Landava. Lebendig wird die Landschaft in der Steiermark. Unser Ziel ist Bad Gams.


    Beim Kaffeestopp jammern die Leute sofort los über den schrecklich verregneten Sommer und schauen ungläubig, wenn wir erzählen, wie das Wetter in Bulgarien war. Teilweise tun sich rechts und links neben den Straßen kleine Seen auf, aus denen die orangen Häubchen der Kürbisse ragen. Ein Großteil der Ernte ist vernichtet. Verheerend für die Bauern, sie können nicht auf die Felder. Wir übernachten im „Steirer Dorf“, einer Ansammlung von Ferienhütten an einem kleinen See, es ist frisch draußen.

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    Ich bin nicht klein, ich bekomm nur später die Regentropfen ab als du.

  • 21. Tag, Bad Gams – München, 415 km


    Wegen des schlechten Wetters der vergangenen Wochen gibt es kaum Touristen. Die Sonne kämpft sich langsam durch und zwischen Frühstücken und Packtaschenbefestigen hat sie es geschafft. Der Wirt verkündet, dass in Richtung Norden kein Regen mehr zu befürchten sei. Das ist wichtig für uns, denn heute wollen wir das letzte Stück bis nach Hause abspulen, über 400 km auf der Landstraße. Abgesehen von einem kleinen Ferien-Rückreise-Stau in Salzburg, zu dem auch wir einen klitzekleinen Beitrag leisten durften, ging alles problemlos.


    :welcome:


    Unser Sohn hat uns schon erwartet, als wir gegen 19 Uhr eintreffen. :kiss::kiss:




    Fazit der Reise:
    Montenegro hat mich sehr positiv überrascht und ich habe beschlossen, dieses Land im nächsten Jahr genauer anzuschauen.
    Bulgarien hat uns abermals gefallen, wir kommen wieder! Wir konnten viele schöne Ecken erkunden, haben gut genächtigt, freundliche Leute getroffen, den wenigen Verkehr genossen. Wunderschön, aber manchmal etwas mühselig zu erreichen waren die hübschen kleinen Bergdörfer.
    Kulturell ist Bulgarien durch die vielen Einflüsse von Griechenland, Türkei, Rumänien, Serbien und Makedonien ein interessantes und von Motorradfahrern fast unentdecktes Land.
    Vieles, was uns im letzten Jahr fremd erschien, kam und nun vertraut vor. Sei es die Eistüte, die man abwiegt, die Duschen, die sich mitten im Bad befinden und keine Kabine haben, die Tankwarte, die auf den Säulen sitzen und auf Kundschaft warten...



    Woran ich mich schwer gewöhne:
    – an die fehlende Straßenbeschilderung in Dörfern
    – an die unmöglichen Anfahrten zu den Unterkünften (oftmals ganz grobes Kopfsteinpflaster mit Sand überzogen)
    :mad::mad::mad: (Offroad – nein, danke) :mad::mad::mad:
    – dass nicken NEIN heisst und Kopfschütteln JA


    Was mir gefallen hat:
    – die vielen Sehenswürdigkeiten
    – die Berge, das Meer, der wenige Verkehr
    – die Gastfreundschaft, die schönen gemütlichen Unterkünfte
    – die einfache frische bulgarische Küche

    – das (fast) tägliche Weiterfahren auf dieser Tour




    E N D E :roll: