"Gibt einem Rumänen ein Kraftfahrzeug,
und er verliert die Zurechnungsfähigkeit!"
So pauschal gesagt, ist das sicher falsch,
ich werde Gegenbeispiele dafür aufführen.
Aber es erhöht die Chance,
am Leben zu bleiben,
wenn man diesen Gedanken beim Fahren stets im Kopf behält.
Wir hatten beschlossen,
heute unser primäres Reiseziel anzusteuern,
nämlich die Transfagarasan.
Verschiedene Optionen standen offen:
Nur mal gucken und Abbruch,
wenn das Wetter zu schlecht sein sollte.
Auffahrt bis zum Höhepunkt und dann Rückkehr,
falls sich die Strecke als zu anstrengend oder zeitraubend erweisen sollte.
Rundfahrt nach von Heinzii ausgearbeiteter Route.
Dizipliniert und pünktlich fuhren wir vom Campingplatz,
um in Sibiu die Tanks zu befüllen.
Dann die DN 7 entlang durch die Stadt.
An bereits bekannter Stelle,
wo die Schirmmützen immer stehen,
wurde Heinzii heraus gewunken und alle Anderen hielten ebenfalls an.
Heinzii musste sich entkleiden und Dokumente vorzeigen.
Ich habe mich hinter Werners BMW versteckt.
Im Moment des Anhaltens war mir klar geworden,
wo meine Papiere waren:
"Irgendwo im Auto".
Da hatte ich sie liegenlassen,
nachdem die ungarische Schirmmütze
Ara, Werner und mich kontrolliert hatte.
Sky setzte ein augenscheinlich überzeugendes Lächeln auf,
denn anschließend schaute die Schirmmütze sich lediglich noch ChaCha an
und stoppte anschließend den Straßenverkehr,
damit die Gruppe gemeinsam losfahren konnte.
Heinzii führte uns die Schnellstraße entlang.
Nach wenigen Kilometern die erste Nah-Tod-Erfahrung.
Ein Mercedes querte aus einem Feldweg die Fahrbahn,
um nach links einzubiegen.
Mitten in eine Motorradgruppe hinein,
die sich mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit bewegte.
(Gut, zuzüglich der ortsüblichen 20%)
Bedingt durch eine beeindruckende Programmierung vor vier Monaten
wußte mein Unterbewußtsein:
Ausweichen nach links ist Schei$e.
Also zuckte mein Körper nach rechts hinüber und ich kam
hinter dem Kofferraum an der Kante des Asphalts an dem Langschiff vorbei.
Bikerbär wusste später zu berichten,
dass er sich mit dem Fahrer des Wagens in Gebärdensprache unterhalten hat:
Er hob drohend die Faust,
der andere fatalistisch die Hände.
Mir jedenfalls hat es die Farbe aus dem Gesicht getrieben,
gute Laune stellte sich erst einige Zeit später wieder ein.
Eigentlich hatten wir die Transfagarasan schon am Vortag
unter den Rädern gehabt,
ich erkannte den Beginn der Strecke im Flachland wieder.
Schon bald ging es bergan,
Kurve folgte auf Kurve,
freundlich winkender Mensch auf freundlich winkenden Menschen.
Dann begann der Wald und die Winkenden wurden weniger.
Wo hätten sie denn auch noch stehen oder sitzen sollen?
Auf der einen Seite Berg,
auf der anderen Seite vielleicht eine Leitplanke,
sicher jedoch Abgrund.
Heinzii varaderote vorn,
die Anderen hinterher.
Bikerbär diesmal vor mir.
Er hatte mit seinem Eisenschwein tüchtig zu tun,
einmal hörte ich in der Kurve deutlich ein metallisches Kratzen.
Die Sause mit ihren BT 023-Kleber-Schuhen genoss den Fahrt.
An einem markanten Gedenkfels stoppte die Gruppe für eine Zigi-Pause
neben der Strecke auf der Abgrund-Seite.
Bikerbär stoppte an der Stelle, wo drei Meter Schutzplanke fehlte.
Da ging es senkrecht hundert Meter nach unten.
Auch sonst war die Aussicht interessant,
soweit man etwas zwischen den Wolken auf unserer Höhe erkennen konnte.
Laut Navigator sollten noch ca. 400 Meter Höhe zu erklimmen sein.
Wir fuhren je nach Pausenbedürfnis unterschiedlich los,
schließlich war verfahren ja nicht möglich.
Nach wenigen hundert horizontalen Metern verschwand die Straße in der Wolkenschicht.
Zeit und Raum vorloren sich, was blieb,
war ein blendend weißer Mittelstrich auf grauem Grund in einer grauen Glocke.
Die Stunde der Drachenreiter!
"Ich will fliegen", flüsterte mir die Sause zu.
"Ok, hier sieht uns niemand", antworte ich ihr.
"Klong, Klong, Klong"
Der V2 gab einen langgezogenen Kampfschrei von sich,
das Vorderrad hüpfte beim Schalten freudig bergan.
Die Sause flog und schrie markerschütternd.
Das konnten sogar die Untoten hören und setzten Blinker,
während sie aus dem Weg hüpften.
Auf einem Anstieg ein schwarzer Schemen,
ein weiterer Drachenreiter:
Muss Yolande gewesen sein.
Zu schnell vorbei, um sicher zu sein.
Kehre, Grade, Kehre, Gerade.
Ein weiterer dunkler Schemen enthüllt sich.
Im Höhersteigen erkenne ich einen hellen Zopf.
Das müsste Sky gewesen sein.
Gerade, Kehre, Gerade, Kehre,
dann enthüllen die Schemen eine Budenstadt.
Schade, schon der Gipfel?
Nach und nach trudeln die Andern ein und wir sammeln uns.
Flanieren im Nebel herum und sichten den Souvenir-Tand.
Da kommt einer der Aachener Enduroristen zu uns.
Wie oft wir uns wohl noch treffen werden?
Er berichtet, dass auf der Anderen Seite des Tunnels die Sonne scheint,
allerdings sei im unteren Teil die Strecke sehr schlecht.
Sonne ist natürlich ein Argument und bisher fühlen sich alle gut,
also machen wir uns auf den Weg durch den Tunnel.
Auf der anderen Seite ist es tatsächlich klar und der Streckenverlauf sichtbar.
Es folgt eine gute Stunde Swing.
Natürlich mit der gebotenen Vorsicht,
denn die Qualität des Straßenbelages ist wechselhaft von "geil" bis "mussichnichthaben".
Am Beginn des Stausees dann ein weiterer technischer Stopp.
Ich dusche mehrere Eidechsen und pelle mich dann aus der ersten Schicht Unterwäsche.
Meine Vorsicht vor Kälte war übertrieben.
Ganz oben hatte es 17 Grad, hier jetzt 25 Grad.
Es geht weiter in die Katastrophe.
Die Straße verwandelt sich in etwas Unfassbares.
Verwitterter, zermalener Asphalt, Sand, Geröll,
Fräskanten längs und quer,
eine einzige Kraterlandschaft.
Was haben wir für ein Glück, das die Sonne scheint
und die Löcher trocken und erkennbar sind.
An der Staumauer nächster technischer Halt.
Es beginnt zu tröpfeln!
Ara und ich opfern uns und ziehen Regenbekleidung an.
Die Berechnung geht auf.
Als die Steilstrecke in das Flachland übergeht,
verschwindet die Nässe.
Dafür drohe ich zu überhitzen.
Das Termometer kratzt an der 30 Grad-Marke.
Der nächste Tankvorgang.
Endlich kann ich mich ausziehen.
Beim Losfahren ein erstes Missverständnis.
Die Spitze fährt schon, während Ara vergeblich die heiße XT wiederbelebt.
Wir fahren in einer Talsohle zur Berufsverkehrszeit.
Trotz verschiedener Warte- und Aufschließmanöver zerfällt die Gruppe.
Es ist heiß, die Untoten sind wieder unterwegs.
Auto kommen uns auf unserer Spur entgegen:
Hektisches Ausweichen nach Rechts.
Lastkraftwagen samt Hänger und Reisebusse
überholen von hinten und quetschen sich dann in den Konvoi.
Bei nächsten Halt explodieren dann die Emotionen
und es werden lautstark Meinungen ausgetauscht.
Wobei die Standpunkte ebenso berechtigt wie unvereinbar sind.
Man kann sich der Fahrweise anpassen,
um die Gefahr für Leib oder Leben zu verringern.
Das muss man aber leistungsmäßig als auch finanziell
leisten können und wollen.
Zum Gucken und Wahrnehmen der Umgebung bleibt
dann aber keine Zeit.
Die Auseinandersetzung läuft daraus hinaus,
dass langsamer gefahren wird.
Wegen des nachlassenden Berufsverkehrs,
der beeindruckenden Gebirgskulisse und dem guten Straßenzustand
entspannen sich die Fahrer wieder.
Oder ist es lediglich Erschöpfung,
schließlich sinkt die Sonne dem Horizont entgegen und es beginnt
aus dem Nichts zu nieseln?
Wir werden kurz vor Sibiu mit einen durchgehenden,
intensiven Regenbogen belohnt!
Nach dem üblichen Einkauf bei REGAL kommen wir in der Dämmerung auf den Platz.
Im Kühlfach liegen kalte Getränke.
Die erste Dose fällt ganz alleine in den Hals
und zeitgleich die Entscheidung,
dass das Netbook heute abend geschlossen bleibt.