Südtirol - mehr als Speck und Knödel

  • Südtirol mit seinen Gebirgspässen, kurvenreichen Bergstraßen und engen Kehren ist für Motorroller- und Motorradfahrer wie geschaffen. Eine einzigartige Berg- und Naturlandschaft und dazu ein kleines Gefühl von Freiheit.


    Penser Joch und Jaufenpass


    Kleine Nebenstrassen führen uns über Hafling, Vöran und Mölten am Südhang des Tschögglbergs entlang. Hoch über der Landeshauptstadt Bozen schwingen wir uns auf einer gut ausgebauten, aber verkehrsarmen, Panoramastrasse auf dem Hochplateau des Salten (1.100m) durch Wiesen und uralte Lärchenwälder.

    Vor uns weitet sich der Blick auf die einzigartige Bergkulisse der Dolomiten. Traumhaft! IMG_0069x6.JPGHinter dem Dorf Jenesien (die Wiege der Haflinger Pferde) biegt die SP99 in Richtung Bozen ab und das Navi fordert: links abbiegen! „Via Miramonti“ verkündet harmlos das Straßenschild, doch das steil abfallende Gässchen hat es in sich. Steil…steiler…immer steiler geht es hinab. Da meine 600er Honda Silver Wing keine Motorbremse hat, ist zwangsläufig Dauerbremsen angesagt, was wiederum meiner Hinterradbremse nicht besonders gefällt. Der linke Bremshebel lässt sich immer schwammiger betätigen. Unter meinem Helm entwickelt sich ein Feuchtbiotop. Ehe sich die Bremswirkung ganz verabschiedet erreichen wir die Sarntaler Staatsstrasse. Man muss auch mal Glück haben!

    Der Adrenalinspiegel sinkt und wir folgen den braunen Hinweisschildern Sarntal und Penser Joch. Direkt am Eingang des Sarntals erhebt sich auf einem mächtigen Porphyrfelsen hoch über der Talfer das mittelalterliche Schloss Runkelstein. Die Zufahrt in das lang gezogene Tal führt durch die enge „Sarner Schlucht“ und windet sich, gut ausgebaut, durch 17 (!) Tunnelröhren. Von Sarnthein führt die Strada Stratale 508 die ersten 20 Kilometer leicht ansteigend bis nach Weißenbach. Die Landschaft verändert sich stetig. Raue Bergspitzen fesseln den Blick, während sich die Straße durch das Hochtal mit seinen dunklen Wäldern und weiten Wiesen schlängelt. Der Kurvenspaß ist dabei genauso großartig wie die Aussichten. Die letzten 10 Km geht es mit einer Steigung von 8% bis 12% stetig bergan. Auf dem letzten Kilometer vor dem „Penser Joch“ wird es dann wieder flacher. Auf dem Joch in 2.211m Höhe erwartet uns eine Mondlandschaft. Verdorrtes Gras und kahler Fels, gelegentlich überzogen mit einigen braugrünen Flechten und Moosen. Kein Baum, kein Strauch. Eine Rast auf der Passhöhe ist dennoch ein Muss. Das Panorama reicht von hier oben über die Sarntaler Alpen bis weit in die Dolomiten hinein.20220907_131918.jpg

    Kurvenreich und in bester Hanglage, bei max. 10% Gefälle und mit nur wenigen Spitzkehren, führt die Route hinab ins Wipptal. Die Nordabfahrt ist so entspannt zu fahren, dass ich zwischendurch sogar mal einige Motorräder „jagen“ kann, ehe mich dann allerdings ein Baufahrzeug jäh ausbremst.

    Kurz vor dem mittelalterlichen Städtchen Sterzing windet sich die „Strada Statale 44 del Passo di Giovo“ durch Wälder und Almen dem nördlichsten inneritalienischen Alpenpass, dem „Jaufen“ (2.099m), entgegen. Für Sattelschlepper und Fahrzeuge mit Anhängern über 4,5 m Länge herrscht zwischen Gasteig und St. Leonhard Fahrverbot, dafür ziehen vor mir einige PKW-Fahrer die Passstrasse hinauf, denen - ihrer Fahrweise nach zu urteilen - der Angstschweiß aus dem Auspuffrohr tropft. Gefühlte „Stunden später“ legen wir auf der Passhöhe vor einem winzigen Gasthaus einen kurzen Fotostopp ein. Unter einem herrlich blauen Himmel genießen wir noch einmal die Aussicht auf die Südtiroler Bergwelt. Im Norden erheben sich die beeindruckenden Gipfel der Ötztaler Alpen, während im Süden die Bergspitzen der Sarntaler Alpen in den Himmel ragen.

    Auf der Südwestseite strebt das Teerband nun über 20 Km in weiten Bögen und immerhin 11 beeindruckenden Serpentinen hinab nach Sankt Leonhard. Der Straßenbelag ist gut; es gibt einige Engstellen, die meine Aufmerksamkeit fordern. Auf unserem weiteren Weg durch das Passeiertal, die Heimat des Tiroler Volkshelden Andreas Hofer, nach Meran, werden wir nun immer öfter von Weinreben, Obstplantagen und einer fast mediterrane Vegetation begleitet.


    Durch das Vinschgau ins Val Martello


    Wir genießen das Frühstück im kleinen Biergarten des Gasthofs Falkenstein. Weit geht der Blick hinunter ins Tal und die weiß „gezuckerten“ Berggipfel der Ortlergruppe in der Ferne. Ruhetag oder nicht, das ist die Frage, die sich relativ schnell klärt. Zum Nichtstun ist das Vinschgau einfach zu schön. Ein Blick auf die Karte genügt und das Ziel steht fest. Der Motor meiner Siwi gibt ein sonores Brummen von sich, als wir uns das enge Teerband durch die Weinberge hinab nach Naturns stürzen.

    In Goldrain verlassen wir die SS 38 und wenden uns südwärts. Zunächst flankieren Obstplantagen den Straßenrand, welche bald einem lichten Fichtenwald Platz machen.

    IMG_0101x8.JPG

    Über uns thronen die Burgen Ober- und Untermontani. Die Räder rollen auf griffigem Asphalt, der uns über 23 km in den Nationalpark Stilfser Joch und die Ortlergruppe (3.905m) hineinführt. Steil ragen die Felswände am Eingang des „Val Martello“ auf. Zunächst ist das Tal recht breit; erste weitläufige Serpentinen lassen entspannten Fahrspaß aufkommen. Beidseits sattgrüne Almwiesen und vereinzelte Höfe. Ein Schild weist auf die Einkehr „Hermann`s Spelunke“ hin und neben uns gurgelt der Wildbach Plima. Immer wieder begleiten uns Erdbeerfelder. Wir sind im höchstgelegenen Tal Europas, in dem noch Erdbeeren angebaut werden; sogar eine Erdbeerkönigin gibt es hier.

    Hinter dem Dörfchen Gand verengt sich das Tal und steigt deutlich an. Lärchen und Zirben ziehen sich nun die Berghänge hoch. 6 knackige Spitzkehren vom Allerfeinsten erfordern volle Aufmerksamkeit. An der dahinter folgenden Engstelle türmt sich eine mächtige, in den 1950er Jahren errichtete, 83 m hohe Staumauer auf. Auf 1.850 m Meereshöhe spiegelt sich das blaugrüne Wasser des „Lago Gioveretto“ (Zufrittsee) in der Sonne, überragt von Furkel-, Zufallferner, Monte Cevedale & Co., allesamt Dreitausender.

    Die schmale Strasse zieht sich entlang des Sees dem Talende entgegen. Immer wieder erhaschen wir einige Blicke aufs Wasser. Noch einmal ziehen wir genüsslich einige enge Kehren hoch - Steigung 18% -, dann endet die Stichstraße in 2.100m Höhe auf einem Wanderparkplatz. Zwei Berggasthöfe laden zu einer Pause ein; allerdings nicht heute - Ruhetag!
    Mit einem leichten Grinsen im Gesicht geht es daher zurück - die Spitzkehren warten!!


    Weitere Infos, Bilder und Videos sowie gpx-Dateien siehe
    Homepage. Viel Spass :0018: