Wie viel Leistung braucht man

  • Es kommt ja immer mal wieder die Frage auf, wie viel PS man brauche. Alternativ, wie viel PS man eigentlich auf die Straße bringen könne.
    Dabei gibt es viele Missverständnisse. Oft wollen die Niedrigleistungsverfechter nicht einsehen, dass es bei Motorleistung nicht um's Kurvenfahren und nicht um Imponiergehabe geht. Um bei voller Schräglage das Heck wegrutschen zu lassen, braucht es nicht viel Leistung. Um zwischen zwo Kurven schnellst möglich zu beschleunigen schon.
    Dabei ist es sehr leicht die Frage endgültig zu beantworten, man muss nur wissen, bis zu welcher Geschwindigkeit man wie viel Masse wie stark beschleunigen möchte, schon weiß man auch, wie viel Leistung man benötigt und nutzen kann.
    Den Luftwiderstand muss man praktischer Weise nicht berücksichtigen, wenn man sich an der Haftgrenze des Reifens orientiert, dann die Beschleunigung wird dann bei höherer Geschwindigkeit zwar geringer, aber auf die übertragbare Leistung hat das keinen Einfluss. Für die maximale Beschleunigung nehme ich 10m/s², also gut 1g an. Das ist für öffentliche Straßen vernünftig.


    Die Formel lautet:
    P = m * a * v / k
    also
    Leistung = Masse * Beschleunigung * Geschwindigkeit * Schummelfaktor zum Ausgleich des Wirkungsgrades zwischen Motorwelle und Straße
    Für den Schummelfaktor nehme ich 0,85 an, das passt ganz gut.


    Beispiel 1:
    MSX125, 102kg + 63kg jugendlicher Fahrer mit Schutzkleidung möchte innerorts bis 61km/h mit 5m/s² beschleunigen um mit dem Verkehr mitrollen zu können. Er braucht:
    165kg * 5m/s² * 17m/s / 0,85 = 16,5kW = 22PS
    Man sieht, er hat alles Recht, sich über zu wenig Leistung seiner MSX zu beklagen.


    Beispiel 2:
    690 Duke, 146kg (ohne Sprit?) + 74kg leichter Fahrer mit Schutzkleidung möchte den Kyffhäuser rauf und runter blasen, wobei er kaum über 120km/h kommt. Jener braucht:
    220kg * 10m/s² * 33m/s / 0,85 = 85W = 115PS
    Zum Glück fallen solche Motorräder schnell nach hinten um, da wird es durch die Sitzhaltung nicht viel Grund zur Klage geben.


    Beispiel 3:
    VFR 1200 FD, 277kg + 83kg Durchschnittsmitteleuropäer mit Schutzkleidung möchte auch mal im Rahmen des für den Führerschein Vertretbaren bis 140km/h unter voller Beschleunigung überholen. Dieser braucht:
    360kg * 10m/s³ * 39m/S / 0,85 = 165kW = 222PS
    Dieser Fahrer hat also ein ganz passables Landstraßenfahrzeug für seine Bedürfnisse gekauft, aber da wäre noch deutlich mehr drin.


    Beispiel 4:
    ZZR 1400, 260kg + 80kg drahtiger Mitvierziger der's nochmal wissen und auf der Autobahn die volle Beschleunigung zumindest bis 200km/h erleben will. Er braucht:
    340kg * 10m/s² * 56m/s / 0,85 = 224kW = 300PS
    Trotz 203PS mit RAMAir Ziel nicht erreicht. Will er noch mehr, muss er zu den leichten Suppersportlern S1000RR und Panigale greifen.


    Beispiel 4a mit einer HP4:
    279kg * 10m/s² * 56m/s / 0,85 = 184kW = 247PS
    Hier sieht man den starken Zusammenhang zwischen Leistung und Masse besonders gut herausgestellt.



    Man sieht also, was man "braucht" oder "kann" hängt stark von den Umständen und Erwartungen ab.


    Mein Wort zum Sonntag für etwas mehr gegenseitiges Verständnis.

    3 Mal editiert, zuletzt von Wraithrider () aus folgendem Grund: Ha, ein falsches Zeichen eingesetzt und schon ist alles falsch.

  • ..................................................
    Mein Wort zum Sonntag für etwas mehr gegenseitiges Verständnis.



    Vielen Dank ! Der Tag ist gerettet:D

  • Man braucht keine Leistung.


    Man braucht Eier.


    Außerdem niedriges Gewicht.


    Schmale Reifen.


    Und eine gute Bremse.


    Beispiel 1:
    Salzburgring, Ende der 80er-Jahre. Damals die schnellste GP-Strecke im Kalender mit Rundenschnitten der 500er von annähernd 200km/h. Nach der Nocksteinkehre geht es einen Kilometer stetig bergauf, da ist Leistung wichtig.
    Ein GP-Fahrer mit einer knapp 40PS starken Honda RS125R fuhr da die Zeiten der Superbiker aus der österreichischen Meisterschaft, die damals 750er mit über 100PS gefahren sind.
    Nanu?


    Beispiel 2:
    Der Lehrling klappt die Ellbogen nach außen, nachdem er auf einem Pass von einer Ducati 900SS überholt wurde. Deren Pilot muss sich anschließend von einem 34PS-Motorrad eintüten lassen.


    Beispiel 3:
    Der Autor dieser Zeilen fährt seinen Lieblingspass, die Forcella Pala Barzana.
    Alleine unterwegs, bei wenig Grip und bummelantig aufgelegt, zählt er die Sekunden von Scheitelpunkt zu Scheitelpunkt der Kehren: 5-7-4 Sekunden von Kurve zu Kurve.
    Wenig Lastwechselreaktionen, Handlichkeit, späte Bremspunkte, beherztes Umlegen holen hier die Zeit, denn meinen Kumpels nehmen mir dort im Angriffsmodus noch locker 1 Sekunde von Kehre zu Kehre ab.


    Beispiel 4:
    Mendelpass, eine Strecke mit langen Geraden, auf der Leistung gefragt ist. Zwei Fireblades bekommen eine beherzt bewegte 1500er Intruder nicht aus den Rückspiegeln. Überholen kann deren Pilot nicht, da kaum Schräglagenfreiheit vorhanden. Von einer gepimpten Dominator mit ca. 50PS werden die Blades vernichtet.


    Beispiel 5:
    In den 90ern fuhren in der 500er-WM Werksfahrer mit 180 - 200PS starken Vierzylindern gegen 120 - 140PS Dreizylinder der Privatfahrer, was immer wieder zu gefährlichen Situationen führte.
    Um dem abzuhelfen, verkaufte Yamaha Vierzylinder-Triebwerke, ROC und Harris bauten Chassis.
    Viele Privatfahrer, immerhin Landesmeister und WM-Teilnehmer, waren damit langsamer als zuvor mit den Dreizylindern, trotz 40 PS mehr.



    Realistisch betrachtet werden die meisten sehr starken Motorräder aus den Ecken mit sagenhaften 3000 bis 5000 Umdrehungen beschleunigt. Also nicht annähernd mit der auf dem Papier stehenden Leistung.
    Du kannst ja mal versuchen, so wie ein Rennfahrer eine S1000RR oder eine ZX10 in der Kurve bei ca. 10.000 Umdrehungen zu halten, damit am Kurvenausgang richtig Schmackes zur Verfügung steht. Ich hoffe, du hast eine Ersatzunterhose im Gepäck......


    Wichtig ist die Leistungsentfaltung. Mehr als ein Pilot eines Bigbikes ist von einem 650er Burgman gnadenlos rasiert worden.
    Hingegen sind allenfalls durchschnittliche Fahrer wie ich mit einer MV Brutale 750 und einer KTM 950 SM elend langsam unterwegs, weil man mit hart einsetzender Leistung und giftigen Bremsen schnell in einen abgehackten, unharmonischen Fahrmodus kommt.



    Ich habe ein paar Freunde, die mit Abstand die schnellsten Alpenfahrer sind, die ich je erlebt habe. Die fahren Motorrder mit um die 100PS.
    Auch mit denen kann man meterlange Streifen am Kurvenausgang malen. Wenn man es kann. Und nur darauf kommt es an.


    Deine Betrachtungen taugen durchaus für die Auswahl des richtigen Motorrades. Auf der Playstation.....

    Einmal editiert, zuletzt von mart!n ()

  • Danke für den hochinteressanten Ausflug in den Physikunterricht!
    Grüße Alfred

    Grüße Alfred

  • Schön gerechnet, aber das funktioniert nur, wenn man ein verlustfreies stufenloses Getriebe hat, damit der Motor immer bei Spitzenleistung laufen kann. Sobald die Drehzahl variieren muss, muss die Spitzenleistung höher liegen. Die durchschnittliche Leistung über das benutzte Drehzahlband muss dann passen.


    Und dann kommt man auch schnell auf den Trichter, warum viele mit ca. 100PS unterwegs sind, obwohl ihnen von den gefahrenen Geschwindigkeiten auch 70PS reichen würden. Mit meiner Maschine kann ich halt im 3. Gang bleiben und habe genauso viel Power, wie wenn ich mit der schwächeren Maschine immer wieder 1. 2. 3. schalten müsste. Man kann also ein größeres Drehzahlband nutzen und hat trotzdem den gewünschten Schub.

  • Der Sohn eines Freundes war d. Meister im Supermoto.
    Gewohnt, Motorräder auszuquetschen, hält der eine S1000RR für Normalverbraucher für unverantwortlich.
    Das Vorderrad sei zu selten am Boden.....


    Ein Kunde war d. Meister in der Langstrecken-DM.
    Der hält eine KTM Adventure für übermotorisiert.


    Und das ist der Punkt. Die meisten sehr leistungsstarken Motorräder werden nicht annähernd mit ihrer Spitzenleistung betrieben. Und wenn, überfordern sie ihre Fahrer.


    Dazu gab es etwas nettes in der Motorrad zu lesen:
    Eine Strecke von ca. 10km, mit einer Royal Enfield Continental mit nicht mal 40PS und einer S1000RR.
    Zeitunterschied, unter sehr routinierten Testfahrern: 30 Sekunden.


    Aber: Die schöne Kurvenkombination, in der die Bilder geschossen wurden, traf der Enfield-Pilot auf Anhieb, der mit der S1000R fand erst beim fünften Versuch einen sauberen Strich.

  • Sehr interessant, aber total sachlich technisch nüchtern. Das ist sicher nur ein geringer Teil beim Moppedfahren. Vielmehr spielen meiner Meinung nach Emotionen eine Rolle. Es geht hier doch um ein Gefühl! Klar muss mein Mopped auch eine entsprechende Leistung haben, aber was nützt Leistung, wenn mich der Bock nicht anspricht? Und was nützt Leistung, wenn das Fahrwerk schlecht ist und man gar nicht vernünftig die Kurven räubern kann? Wie immer ist also das Gesamtpaket ausschlaggebend.

  • Mein tip.
    Taschenrechner wegschmeissen, und aufsitzen.


    An so nem motorrad is mehr dran als nur n motor.

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  • PS, KW, sek, ...


    Meine Meinung. Vergiss die Formeln und die Rechnerei. Das gehört auf eine Rennpiste.


    Was bringen dir 100-200 PS wenn du sie nicht wirklich brauchen kannst und bei den vorgegebenen Max-Geschwindigkeiten braucht man sie auf Normalstrassen nicht. Ja, ich geb zu ich hab ein Auto mit 8 Zylinder und 275 SAE-PS. Aber nicht wegen der Leistung. Nicht weil mein Auto oder mich andere "bestaunen". Meine Tankrechnung wollten sie ganz sicher nicht bezahlen und das begafft werden ist der Rechnungbetrag an der Tanke auch nicht wert. Ich liebe einfach das Gesäusel des V8. Das löst schlagartig Hummeltitten (Gänsehaut) aus wenn ich es höre. Aber brauche ich es? Klares nein, aber schön ist es. Was ich aber brauche wenn ich so ein Zweiradofen so ausnutze wie er er es könnte, ist eine dick gefüllte Geldbörse nötig. Zumindest hier in der CH


    Ich häng mal eine Tabelle an die die Knöllchenpreise miteinander vergleichen


    Bussenvergleich D - CH.jpg


    So, und jetzt sage mir vieviel Leisung ich bei einem Fahrzeug brauche

    Wenn du bis zum Hals in der Sch... steckst, lass loss den Kopf nicht hängen
    You can't wear out an original old Indian, or its young sister the Indian Drifter. They're built like rocks to stand hard knocks, it's the Harleys that cause the grief

  • Meine kleine Varadero hat wahnsinnige 15 PS, meine Transalp unglaubliche 50.
    Ich werde immer wieder belächelt und runtergeputzt, wie ich bloß sowas fahren kann (beide Motorräder).
    Die Lächler und Runterputzer sind ausschließlich Männer und sie fahren allgemein neuere und schnellere Maschinen, ausser den Transalpfahrern, die wissen, worum es mir geht.
    Ob die Erstgenannten ihre Maschinen wirklich fahren können, sei dahingestellt, ich habe sie bei riskanten Überholmanövern und Beschleunigungsattacken beobachtet und gesehen, wie die Schweißbäche flossen, als der Helm abgenommen wurde.
    Und es erhärtete sich mir der Verdacht: da ist viel Angeberei im Spiel. Für manch einen zuviel.
    Also neue Frage: welche Leistung braucht man für's Ego und welche Leistung ist ausreichend für das Vergnügen Motorradfahren?
    Ich glaube, das trifft den Kern der Sache besser.

    Eins der größten Vergnügen im Leben besteht darin, das zu tun, von dem die Leute sagen, du könntest es nicht.
    WaB.


    Mut erobert alle Dinge.

    Einmal editiert, zuletzt von Missy ()

  • Meine persoenliche Meinung dazu liegt irgendwo dazwischen. Wer wirklich schnell unterwegs sein will braucht, genau wie schon festgestellt, wenig Gewicht und viel Drehmoment und einen Ansatzweise linearen Drehmomentverlauf.
    Mein Favorit liegt daher bisher beim LC8 Triebwerk, da groessere Einzelhubraeume etwas schoenerer Drehmomentverlauf als beim 4-inline, entsprechend mehr Druck untenrum. Mit der richtigen uebersetzung und in einem Strassentauglichem Fahrwerk, sollte das Ding relativ optimal diverse Fahrmanoever abdecken. Wichtig ist hierbei auch, dass die Leistung gut dosierbar ist. Theoretisch waere ein 700er Zabel das Geraet mit der hoechsten Leistungsdichte, ist aber unfahrbar auf Strassen, erfordert daher umfangreiche Modifikationen oder Dauerdrift.
    Gegen 34 Ps spricht nix, wenn das Moped klein und bei unter 100kg angesiedelt ist, je groesser und schwerer die kiste wird, desto mehr Drehmoment braucht man. Und Drehmoment bekommt man (fast) nur durch Aufladung oder Hubraumerweiterung. Idealerweise sucht man nach dem Scheitelpunkt zwischen idealem Drehmoment, Fahrzeuggewicht und co.


    Die ganzen Supersportler sind darauf ausgelegt, dass Max Mustermann auf der Bahn am Gashahn dreht und die Karre ihm nicht um die Ohren fliegt. Entsprechend sind die Dinger mehr auf Luftstroemung bei hohen Geschwindigkeiten optimiert als auf wendiges Kurvenfahren. Jedes Terrain fordert hierbei seinen Tribut, wenn man Strecken wie den Salzburgring etc.. fahren will, muss man auf genau diese Strecke optimieren.

    Einmal editiert, zuletzt von ricardo ()

  • 125 cm³ zum fahren von a nach b reicht (15PS). Ist es hügelig kann es ein bischen mehr sein, aber nur damit man nicht laufend im Getriebe herum rühren muss. Will man auf der Landstrasse überholen, sind 15 PS aber zu wenig um schnell am Hindernis vorbei zu kommen. So entstehen Gefahrensituationen.


    Ich denke ein gusundes Mass wären +/-25 kw min 500- oder 650-4takt-Kubik.

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  • Faustformel des Bremswegs:
    (((Fahrgeschwindigkeit [km/h] /10) ) ^2 ) = Bremsweg [m]


    Und es sollen schon viele Auffahrunfälle geschehen sein, weil Fahranfänger vor einer Ampel zu nachzurechnen begannen...


    Nee, im Ernst: Wer rechnet vor Kauf eines Bikes nach und weis, mit welchen Zahlenwerten er beschleunigen will und kann?
    Da dürften eher ausschlaggebend sein:
    - ausreichend Drehmoment, um schaltfaul reisen zu können
    - ausreichend Leistung, um eine für den Zweck geeignete Geschwindigkeit dauerhaft fahren zu können ohne Kreissägenlärm
    evtl. vllt. noch:
    - von beidem ausreichend, um am Stammtisch mithalten zu können
    Und dann kauft man, was in Sachen Zweckerfüllung, Design, Kosten, Schäppchen und Stammtisch geeignet erscheint.
    Meine CBR hatte ich nicht entdrosselt, um mehr Leistung zu haben oder schneller zu fahren. Ist eh unbedeutend, da ich in den Alpenländern Urlaub mache. Aber 10Nm mehr Drehmoment in der offenen Version merkt man schon gut.

  • Viel Leistung ist wie früher ellenlange Ski.


    Was gut für die Könner ist, macht Normalos höchstens langsam.
    Es bringt nicht nur nichts, es ist auch noch kontraproduktiv.


    In den Bergen ist die Leistung ab ca. 70PS völlig bedeutungslos, da muss ein Mopped einfach nur leicht zu fahren sein, vernünftig bremsen, das Handling muss stimmen.
    Ein Wechsel vom Z6 zum PiPo bringt da mehr als eine Leistungsspritze von 25PS.