Nach knapp 300 km möchte ich hier einmal meine ersten Eindrücke schildern.
Der 350i ist mein 4. Honda Roller. Das Vorvormodell (300i) habe ich gegen diesen Roller getauscht. Den Vorgänger hatte ich 7 Jahre und über 25 Tkm. An dem Teil war nie etwas kaputt. Eine Batterie und eine Glühbirne war außer den üblichen Verschleißteilen der ganze Reparaturbedarf. Es musste nicht einmal Bremsflüssigkeit oder Kühlwasser nachgefüllt werden. Hoffentlich ist das bei dem 350er auch so.
Der Roller springt problemlos an. Er hängt gut am Gas. Angenehmes Fahrgeräusch, wenig Vibrationen.
Positiv finde ich die etwas höhere Sitzposition. Die festere Federung ist in Ordnung, wirkt aber etwas weniger komfortabel. Das Fahrgefühl ist insgesamt etwas sportlicher, motorradartiger geworden: Anzug, Einlenken. Die Sitzposition ist bei 1,83 cm Körperlänge entspannt.
Die Verarbeitung ist auf Honda-Niveau hoch, aber es bleibt der Eindruck von kleineren Einsparungen gegenüber dem Vorgängermodell. Das Top-Case wirkt "jökeliger", die Scheibe ist etwas schmaler und etwas kürzer. Die etwas niedrigere Scheibe finde ich positiv, weil man bei schlechtem Wetter besser über den Rand sehen kann und im Sommer auch etwas mehr Fahrtwind abbekommt. Der Batterieausbau mit eigenartigen Nippeln statt Schrauben - naja. Die digitale Tachoanzeige ist schön, weil man die Geschwindigkeit besser ablesen kann. Die Zahlen sind allerdings gewöhnungsbedürftig geformt. Das wird eine Frau designt haben.
Ich bin bisher zufrieden, aber:
Erstens: Das serienmäßige Topcase wirkt billig. Es ist (relativ) klein und ich verstehe nicht, warum Honda nicht optional auch ein Case anbietet, in das 2 Integralhelme passen. So werde ich es austauschen und es liegt dann herum. Ein weiterer Grund ist das "bettnässerische" Öffnungssystem. Der Entriegelungsknopf ist mit Handschuhen weder zu tasten noch zu bedienen. Wenn man die Handschuhe schon ausziehen muss, kann man auch gleich einen Schlüssel benutzen. Hinzu kommt, dass das Ding nur in bestimmten Stellungen des "Drückdrehnopfes" (das ist der Zündschlossersatz) funktioniert.
Zweitens: Das ganze Key-System ist ein einziger Krampf. Man muss (anders als bei einem Keyless-System) den Aktivierungsknopf am Schlüssel drücken und sich dann mit dem "Drückdrehknopf" beschäftigen. Am Schlüssel sind die Bedienknöpfe für den Gebrauch mit Handschuhen eher zu klein geraten. Man muss auf die positive Rückmeldung mit grüner LED achten. Dann an dem fummeligen "Drückdrehschalter" die Zündung aktivieren. Die Symbole rund um den Schalter kann man kaum ablesen. Ein Leuchtring um den Schalter zeigt die Aktivierung an - aber nur wenn man vorher auf den Schalter drückt - oder so ähnlich. Ich übe noch. Geht man zu weit weg oder wartet zu lange ist das ganze nochmals zu machen. Die Sitzbank ist mit dem gleichen System auch nur in mehreren Schritten zu öffnen - wobei hier zusätzlich noch ein weitere Knopf neben dem Drückdrehteil gedrückt werden muss. Mal zum Roller gehen und mit einem Schlüsseldreh die Sitzbank entriegeln geht nicht. Das kann man alles üben, aber gegenüber einem einfachen Metallschlüssel ist es ein "Krampf" und hat aus meiner Sicht nur Nachteile. Bei leerer Schlüsselbatterie gibt es nicht einmal eine Notstartfunktion. Da muss man dann zu Fuß zum Rossmann und eine Batterie kaufen. Man kann sich auch eine in das Mittelfach oder das Topcase legen, aber das geht ja ohne Batterie leider nicht auf (kleiner Scherz).
Drittens: Die digitalen Anzeigen sind informativ, aber m.E. überfrachtet - teilweise zu ungenau, teilweise Spielerei. Mir persönlich würde der digitale Tacho, eine genaue Uhr, eine genauere Tankanzeige (wieso hat die nur 5 Segmente bei dem kleinen Tank?) und neben dem normalen Kilometerzähler ein Tageskilometerzähler reichen, der mit einem Griff auf "0" gesetzt werden kann. Stattdessen ein Gefummel mit Knopf A und Knopf B über zwei getrennte Anzeigefelder. Um die Helligkeit anzupassen, muss man die Bedienungsanleitung lesen. Ärgerlich. Die Anzeige der Batteriespannung ist wertlos, weil sie bis kurz vor dem Tod der Batterie keine auffälligen Abweichungen anzeigt. Die Anzeige einer Restreichweite ist vermutlich nur für Leute wichtig, die mit der Tankanzeige gar nichts anfangen können. Wozu wird Platz für eine Anzeige von km pro Liter verschwendet? Mein Vorschlag für eine Tankanzeige, die ich bei dem kleinen Tank für sehr wichtig halte, wäre eine dezimale Darstellung mit einer Nachkommastelle, z.B.7,3 Liter und eine Warnlampe beim Unterschreiten von 1,5 Litern. Dafür dann auf die "Spielsachen" verzichten.
Etwas kritisch sehe ich auch den Verbrauch, wobei ich erst 2x getankt habe. Ich habe einen 1,5 Tonnen schweren Pkw mit 140 PS. Da liegt der Benzinverbrauch bei 5,5 Litern/100 km laut Tankbelegen. Warum ein Roller mit unter 0,2 Tonnen und 30 PS ca. 3,3 Liter/100 km verbraucht ist mir unerklärlich, auch wenn einiges der Automatik geschuldet ist. Ein Fortschritt gegenüber dem alten 300er wurde nicht erreicht. Der hat auch ca. 3,2 Liter verbraucht. Irgendwie würde ich als Laie erwarten, dass so ein relativ kleines Zweirad bei normaler Fahrweise im Jahr 2022 eine "2" vor dem Komma haben müsste.
Gleichwohl bin ich trotz der Kritikpunkte zufrieden, weil der Roller einfach gut fährt und darauf kommt es an.
Allen eine gute Fahrt.
Hondafahrender